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Freds Tagebuch #28

Eintrag #28 Mein Tagebuch, von Frederick Usiku KrÜger





"Bevor ich Rackenroon mit dem Auftrag verlassen hatte, ihre Erbin zu finden und herzubringen, hatte die Fürstin mir geraten, daß es weise wäre, das Mädchen in New Yak zu heiraten, um ihre Rivalen vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ihr Gedanke war, da Ehe unter Hyänen unauflöslich ist, dass Fräulein Grrsn akzeptiert werden müsste nach den Klauseln des Vertrages, den die Fürstin mit meiner Mutter geschlossen hatte. Es würde auch weniger Gelegenheit bieten, den Plan zu Fall zu bringen.


Ich muß zugeben, daß ich ihren Plan verstand, aber ich zögerte. Als ich von ihrer Existenz erfuhr, freute ich mich wegen der Aussicht Jinjur oder Vyschuss NICHT heiraten zu müssen -- aber wohin geriet ich mit dieser vollständig unbekannten Größe? Sprichwörter über Bratpfannen und Feuer sind kein Kochkurs.


Zurückblickend hätte ich mir eine bessere Art und Weise ausdenken können, wie ich sie über ihr Geburtsrecht informiert hätte und was damit zusammenhängt, als ihre Großmütter es getan hatten. Ich gebe ihr überhaupt nicht die Schuld, darauf mit Schock, Schrecken und Ablehnung reagiert zu haben. Aber, seltsamerweise, war es genau diese Mischung aus Reaktionen, die mich denken ließ, daß sie tatsächlich jemand sein könnte, mit der ich arbeiten konnte. Sie hatte zugestimmt, die Situation zu akzeptieren, nicht wegen der Macht der Position, oder wegen dem Geld der Mitgift; sie hatte es aus Pflichtgefühl ihrer Familie gegenüber getan. Ich schätzte das. Die Tatsache, daß sie die Mitgift gewaltsam zurückgewiesen hatte, gefiel mir auf sonderbare Weise.


Um zurückzukehren zu der Nacht der unglückseligen Party: ich verließ das Haus in dieser Nacht nicht. Als ich die Proklamation Ihrer Hoheit in ihre Hände gelegt hatte, war es von da an meine Pflicht, ihr Diener und Leibwächter zu sein, und als die anderen Gäste gegangen waren, übernahm ich deshalb meinen Wachtposten vor ihrer Schlafzimmertür. Ich denke, ich hätte sie darüber informieren sollen, weil sie ungefähr um halb drei am Morgen im dunkeln über mich stolperte, auf dem Weg zum Waschraum. Sie landete mit einem heftigen Bums.


"LOUIE, WAS ZUR HÖLLE MACHST DU NOCH HIER?!" verlangte sie mit einem erstickten Flüstern zu wissen. Ich fummelte nach meiner Brille und schob sie in mein Gesicht, als ich auf die Füße krabbelte um zu salutieren.


"Ihre Tür bewachen, Ma'am," erwiderte ich knapp. "Jetzt, wo sie Die Erbin sind, könnten sie das Ziel von Attentatsversuchen sein."


"Oh, bitte!" sie schnaubte und erhob sich vom Fußboden. "Der einzige, der eine Chance hat, mich zu töten, bist Du - so im dunkeln herumzuliegen!"


Ich verbeugte mich entschuldigend. Ihre Augen glänzten im schwachen Licht.


"Was würdest Du tun -- Dich zwischen mich und meinen Attentäter werfen? Mich mit Deinem Körper schützen?"


Ich fühlte, wie meine Ohren heiß wurden. "Nicht bei der ersten Verabredung," murmelte ich.


Sie stieß die Luft mit einem langen zischen aus. Ich fühlte, wie sie leicht meinen Arm knuffte und dann eine Faustvoll von meiner Jacke vorne griff. "Komm, lass uns nach unten in die Küche gehen. Wir müssen reden."


*


Die Küche des Grrsn Baus war riesig, gut ausgestattet und mit bewundernswertem Vorrat. Fräulein Grrsn kramte in einem der Kühlschränke und fragte mich, ob ich etwas Eiscreme wollte. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, mitten in der Nacht etwas kaltes zu essen, aber sie bestand darauf und um höflich zu sein, bat ich um eine Schüssel Vanille. Sie hatte keine Vanille aber sie hatte einen fünf Liter Behälter mit etwas, das leuchtend rosa war. Sie schaufelte ein paar Kugeln in eine Schüssel und schob sie zu mir rüber und beanspruchte den Rest des Behälters für sich.


Wir aßen still. Ich ließ jeden Löffel auf meiner Zunge schmelzen. Es gab mir die Zeit meine Gedanken zu sammeln. Was in aller Welt hatte mich dazu gebracht, dies eine "erste Verabredung" zu nennen? Was hatte ich mir dabei gedacht? Ich warf ihr einen verstohlenen Blick zu. Sie war unordentlich in ihrem Pyjama und hatte einen kleinen Klecks Eiscreme auf ihrer Nasenspitze. Sie schaufelte auch Eiscreme in sich hinein, als wäre es überlebenswichtig. Ich bekam Hirnfrost, wenn ich ihr nur zusah.


Das war meine Frau. Meine Ehefrau. Ich ließ diese beiden Worte für eine Weile in meinem Kopf kreisen. Meine Ehefrau, mit der ich verheiratet war, seit ich fünf Jahre alt war und die ich gerade an diesem Abend zum ersten Mal getroffen hatte. Meine Ehefrau, die mich verabscheute -- nun, wenigstens dieser Teil fühlte sich vertraut an.


Nachdem die Stille greifbar wurde, räusperte ich mich. Die Eiscreme war klebrig. Das sagte ich mir zumindest. Ich nahm all meinen Mut zusammen, um das wichtigste Thema anzusprechen.


"M-Ma'am... ich hatte mir gedacht... falls wir heiraten müssen, wäre es möglich das hier in Amerika zu tun...?" schlug ich zögernd vor. "Meine, äh, meine Eltern würden auf eine 'traditionelle' Zeremonie bestehen und... ich fürchte, ich sehe nicht so gut aus in Federn."


Sie warf mir einen eigenartigen Blick zu und schob dann einen weiteren großen Löffel Eiscreme in ihren Mund.


"Hör mal, Lieutanant, lass uns eins klarstellen -- ich habe nicht die Absicht, Dich zu heiraten, oder die Fürstin von Rackenroon zu werden," sagte sie mir geradeheraus. "Der Gedanke ist einfach -- äch!" Sie schüttelte sich und streckte die Zunge heraus. Dann sah sie mir ins Gesicht und fügte hinzu, "nichts gegen Dich persönlich... ich kann mir einfach nicht vorstellen wie ich überhaupt... das ist doch lächerlich! Wie können sie denken -- wie können sie glauben --" Sie schüttelte sich wieder und murmelte düster, "ich lasse nicht zu, daß sie mir das antun! Ich will nicht, daß sie glauben, mich so herumschubsen zu können --! Es muß doch einen Ausweg geben --!"


Ich zögerte, die Worte steckten in meiner Kehle fest, aber sie schien es nicht zu bemerken. Ich konnte es nicht riskieren, daß sie jetzt auf komische Gedanken kam. "Ich begrüße ihre Gefühle, Ma'am... aber ich fürchte, das Alles liegt nicht in unseren Händen." sagte ich ihr weich. "Der Vertrag wurde geschlossen, als wir beide sehr jung waren und Sie haben die Blutsverpflichtung Ihrem Clan gegenüber, das Territorium Ihrer Großmutter nach ihrem Tod zu übernehmen. Und was den Teil mit der... ar-arrangierten Ehe betrifft, versichere ich Sie -- es ist nichts, das ich mir ausgesucht hätte. Aber wir müssen das Beste daraus machen."


Sie reichte herüber und legte ihre Pfote auf meinen Arm. "Nun gut, fein... aber lass uns nichts dummes tun, bevor es nicht absolut notwendig ist, okay...?"


"Ich möchte mich nicht gegen Den General stellen, aber im Prinzip bin ich mit Ihnen einer Meinung." stellte ich fest.


Als Bekräftigung strich sie leicht über meinen Ärmel. Ein seltsamer, anderer Ausdruck erschien in ihrem Gesicht. "Oh! Ich wusste gar nicht, daß Deine Uniform so... weich ist," bemerkte sie. "Sie sieht so steif und kratzig aus, aber... wow. Weich."


Sie fuhr fort, meinen Arm zu streicheln, bewunderte das Gefühl des Stoffes. Ich fühlte, wie mein Hals eng wurde. Andere Dinge wurden auch eng.


Behutsam entfernte ich meinen Arm von ihren Fingerspitzen, langsam; um es nicht als Abwehr erscheinen zu lassen. Sie hatte offenbar keine Ahnung, daß sie das strikte Brigade Protokoll verletzte. Oder daß... "Ja, nun, ähem... es ist aus feinster Merino Wolle und für mich maßgeschneidert von derselben Londoner Firma, die die Garderobe meines Vaters erstellt," erwiderte ich flach. Ich erwähnte nicht die eingewebte kugelsichere Mikrofaser.


"Sie leisten gute Arbeit," sagte sie. "ich hätte gerne eine Jacke aus dem Stoff."


"Ich bin sicher, daß das arrangiert werden könnte," stellte ich fest. Dann räusperte ich mich und ließ verlauten, "Übrigens, Ma'am... ein Hinweis für die Zukunft... in Rackenroon ist physischer Kontakt zwischen Hyänen unterschiedlichen Ranges verpönt."


Sie betrachtete mich für einen langen Augenblick, als hoffte sie ich würde plötzlich grinsen, und schnaubte dann, "Wie zur Hölle pflanzt ihr Leute Euch eigentlich fort?"


Ihr freimütiger Kommentar traf mich unvorbereitet. "Wenn die Zeit kommt, finden wir einen Weg."


Sie rollte leicht mit den Augen und sagte dann mit gespannter Stimme, "Weißt Du, Fred... Lieutenant... wenn Du und ich, Du weißt schon, heiraten sollten... sollte da nicht schon ein bisschen mehr.. ah, ich weiß nicht... Wärme sein? Interesse? So was wie ein Puls vielleicht?"


"Ma'am -- ich möchte jetzt nicht voreilig sein," sagte ich ihr. "Diese Ehe ist lediglich für dynastische und finanzielle Zwecke. Gefühlsmäßige Bindung wird nicht als notwendiger Teil unserer Allianz betrachtet."


Sie sah mich mit einem Ausdruck in ihrem Gesicht an, der Horror nahekam. "Du meinst, Du würdest jemanden heiraten, den Du nicht liebst -- nicht einmal magst -- ohne jedes Gefühl... wegen eines dämlichen Vertrags?"


Ich atmete langsam aus. "Ja, Ma'am."


Sie schien damit zu kämpfen, ihre Gedanken zu ordnen. "Also -- mußt Du mich nicht... attraktiv oder sonstwas finden. Ich hätte ein Troll sein können und doch hättest Du... dieses Eheding durchgezogen?"


"Ich wurde dazu vorbereitet, die Erbin von Rackenroon zu heiraten," erwiederte ich, "wer auch immer sie sein mag."


"Aber was, wenn wir nicht kompatibel wären?" fragte sie mit schwacher Verzweiflung. "Was, wenn wir uns nicht ausstehen können? Ich meine -- ist das nicht etwas, daß wir frühzeitig herausfinden sollten?"


"Wäre es nicht schlimmer," konterte ich, "wenn wir herausfinden würden, daß wir uns nicht ausstehen können -- und trotzdem heiraten müssten?"


Leise, schaute sie auf die Arbeitsplatte. Sie zog einen Finger durch einen eigensinnigen Fleck rosafarbenen Eiscremes und formte unbewußt ein Herz daraus, verschmierte es dann bis zur Unkenntlichkeit.


"Ja, nun," stellte sie mit heiserer Stimme fest, "Du bist vielleicht gewillt einen Troll zu heiraten, aber ich nicht..."


"Unglücklicherweise," sagte ich ihr, "hat keiner von uns eine Wahl."


"Wie lange noch, bis wir nach Afrika aufbrechen müssen?" fragte sie mit einem halben Achselzucken. "Ein paar Treffen könnten uns vielleicht dabei helfen herauszufinden, ob... Du weißt schon, da vielleicht ein Funke ist, oder irgendwas."


Ich musterte sie aus der Sicherheit meiner verspiegelten Gläser heraus. Ich war verwirrt -- wonach suchte sie? Oder was hoffte sie? Ich hatte gedacht, sie hätte verstanden, daß dies ein geschäftliches Arrangement sein sollte... ihr bisheriges Auftreten hatte mir nicht den Eindruck vermittelt, daß sie mehr als das erwartete. Oder mehr als das wollte. Ein weniger guter Handel, in der Tat, wenn man ihre Nörgelei darüber, sich aus ihrer erblichen Verpflichtung zu stehlen, wirklich ernst nahm.


Ich räusperte mich wieder. Wie sollte ich es sagen, ohne ins Fettnäpfchen zu treten...? Besonders, da ich mit ihr übereinstimmte und nur die Vertragsbedingungen mich davon abhielten völlig offen zu ihr zu sein.


"Ma'am... es gibt da... ein paar rechtliche Vorschriften... in Bezug auf das Arrangement, das meine Familie mit Ihrer gemacht hat..." sagte ich diplomatisch. "Es könnte... Probleme geben... falls ein Verhältnis falsch gedeutet wird. Bis Sie offiziell zur Erbin Ihrer Hoheit erklärt wurden und wir verheiratet sind... denke ich, ist es das Beste, wenn wir ein strikt... platonisches Verhältnis aufrechterhalten. Meinen Sie nicht?"


Sie presste ihre Lippen zu einer engen Linie, die in dem Fell ihrer Schnauze und des Kinns verschwand. Sie sagte nichts, aber es schien, als ob da eine Art Schmerz in ihren Augen wäre, ein Schmerz, der mir schwerfiel zu verstehen. Was wollte sie? Wußte sie eigentlich, was sie wollte?


"Oh," sagte sie endlich, ihre Augen nach unten gerichtet, aber düster, "dann soll ich Dich also heiraten, ohne je mit Dir eine Verabredung gehabt zu haben oder irgendwas, ohne zu wissen, ob wir uns verstehen..."


"Nach der Hochzeit wird Zeit genug sein für diese Dinge," bot ich an und versuchte beruhigend zu klingen, "Viele junge Leute, die sich vor ihrer Ehe nicht kannten, waren sich später sehr zugetan."


"Geteiltes Leid ist halbes Leid," hörte ich sie murmeln. Dann traf sie meinen Blick. Da war jetzt Trotz in ihrem Blick. "So läuft das also in Rackenroon, eh? Nun, wir sind jetzt in Amerika. Wir --"


"Ma'am, bitte," ich wagte es sie zu unterbrechen, "ich verstehe ihre Furcht. Ich fühle es auch. Ich versichere Ihnen, ich bin nicht glücklich mit der Situation -- ich war es nie, und ich lebe damit seit fünfundzwanzig Jahren. Wir sollten wirklich das Beste daraus machen und vielleicht kommen wir zu... einer Art Kompromiss."


Wie hätte ich ihr sagen können, daß, wenn es in meiner Macht gestanden hätte, ich sie ihrer Verpflichtung entbunden hätte und ihr gesagt hätte zu laufen, so schnell und weit von Rackenroon fortzulaufen, wie sie konnte; oder wie hätte ich ihr sagen können, daß sie die Möglichkeit hatte, mich vor einem Schicksal schlimmer als der Tod zu retten und daß ich alles tun würde, ihr das Leben so angenehm wie möglich zu machen, wenn sie zustimmen würde? Auf keinen Fall konnte ich sie wissen lassen, daß sie alles war, das zwischen Weltkrieg und Frieden stand. Sie schien schon Schwierigkeiten genug mit dem Konzept einer arrangierten Ehe zu haben.


Sie hörte dem zu, was ich sagte, und schnaubte. "Kompromiss, eh? Scheint, als hättest Du mich in einer kompromittierenden Position, Louie."


"Das ist exakt das, was ich um jeden Preis vermeiden möchte," erwiderte ich trocken. "Und ich hatte den Eindruck, Sie hätten... kein Interesse... an... mir..." Meine Worte stolperten zu einem unangenehmen Halt, als hätten sie sich einen Dorn eingetreten.


Jetzt sah sie unglücklich aus. Sie hatte sich wohl an die Szene erinnert, die sie auf der Geburtstagsfeier gemacht hatte. Sie fuhr mit ihren gespreizten Fingern durch ihre Haare und seufzte. "Schau, Louie... Fred... Lieutenant... hey, wie möchtest Du überhaupt, daß ich Dich anrede?"


"Wie immer Sie wünschen, Ma'am."


"Gut. Louie." Der Kompromiss zwischen formal und familiär schien sie zu erleichtern. Sie seufzte. "Okay, hör zu. Ich will nicht mal vorgeben zu verstehen, was zur Hölle hier los ist oder warum meine Großmütter mich auf diese Weise torpedieren... aber wir stecken da gemeinsam drin, Du und ich."


Ich nickte knapp.


Und da wir für die absehbare Zukunft aneinander kleben... was ist so falsch daran, wenn ich Dich etwas besser kennenlernen will? Oder Dir mehr von mir erzähle?"


"Ich weiß von Ihnen, Ma'am... ein wenig," sagte ich. "Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt, nachdem ich herausgefunden hatte, daß sie die Thronanwärterin sind. Ich muß gestehen, daß meine Versuche, ein Bild von Ihnen zu finden... ein gemischtes Resultat ergaben..."


Ich sah sie zusammenzucken, aber ich sprach trotzdem weiter. "Es gab da ein Video von Ihnen, wie sie eine Art Nervenzusammenbruch als Nachrichtensprecherin hatten, mit einer Feuerameisenpuppe... und eines von Ihnen in einem Insektenkostüm, wie sie dem Begriff "flash mob" eine neue Bedeutung gaben... und dann ein sehr sonderbares, wo Sie als ein großes, weißes, großbusiges Kaninchen verkleidet waren --" Ich wurde rot, als ich diese Dinge erwähnte.


Sie bedeckte ihr Gesicht mit beiden Pfoten und krümmte sich zu einem Ball. "Oh Ghott," wimmerte sie, "--oh, Ghott..." zu mir aufsehend fragte sie, "Und Du willst mich immer noch als Deine... Fürstin?"


Ich zögerte, weil sie von meinen Enthüllungen offenbar sichtlich getroffen war. Genau wie ich, als ich diese Bilder entdeckt hatte. "Ihre Großmütter versicherten mir, daß dies unglückselige Anomalien seien und machten dafür vollständig die schlechte Gesellschaft verantwortlich, in der Sie verkehren."


"Das stimmt. Sie hassen meine Freunde. Du hast gesehen, wie sie sie behandeln."


Ich zuckte die Achseln. "Ma'am... manchmal, wenn wir etwas sehr Kostbares beschützen müssen, dann müssen wir ziemlich schroff sein..."


"Je nun -- sie hätten mir SAGEN können, daß ich 'sehr kostbar' bin!" schnappte sie. "Mein ganzes Leben lang dachte ich, sie seien einfach nur gemein!"


"Falls ich das sagen darf, Ma'am -- sie haben es Ihnen genau deshalb nicht gesagt, weil sie Sie beschützen wollten. Sie wollten, daß Sie so weit fort und so frei von der Maramasai Politik aufwachsen, wie möglich. Ihre Großmutter Fisi hat es mir persönlich gesagt."


Sie dachte etwas darüber nach. Ich saß ihr still gegenüber.


"Und... falls es Ihnen etwas bedeutet," fuhr ich zögerlich fort, "ich habe großen Respekt für Ihre Großmutter Fisi. Für Ihre beiden Großmütter. Obwohl -- Ihre Großmutter Penthesilia jagt mir eine Heidenangst ein."


Sie lachte, es klang wie ein Schuß, der von der harten Decke der Küche zurückhallte. "Sie macht JEDEM Angst."


"Das stimmt," sagte ich beinahe selbst lachend.


Wir sahen uns an. Sie schien mich mit neuem Verständnis zu untersuchen, ich wandte meinen Blick ab und versuchte, nicht nervös mit dem Bein auf der Stuhlstrebe zu wippen. Ihr forschender Blick gab mir ein sehr komisches Gefühl, als würde meine Haut kribbeln. Mir wurde plötzlich sehr bewußt, daß sie dort in ihrem Schlafanzug saß.


"Schau," sagte sie "es ist beinahe Morgen. Mama Fisi wird bald hier sein, um mit meinem "Krieger Training" zu beginnen. Sie stellte die Worte mit ihren Fingern in Anführungsstriche. "Ich kann nicht wieder schlafen gehen. Warum nimmst Du Dir keine Mütze voll Schlaf?"


"Falls es ihnen nichts ausmacht, Ma'am, ich glaube nicht, daß ich Ihren Eltern erklären möchte, warum ich schlafend in Ihrem Bett gefunden würde," erwiderte ich. Jetzt war sie an der Reihe, rosa Ohren zu bekommen.


"Auf dem Sofa, Du Schwachkopf -- dem Sofa!" grummelte sie und schaute weg.


"Selbstverständlich. Mein Fehler, Ma'am."


Sie rutschte von ihrem Hocker und ließ den jetzt leeren Eiscreme Behälter in den Müll fallen. "Du musst in meiner Gegenwart nicht ständig so formell sein, Lieutenant..."


"Doch, das muss ich, Ma'am. Das Protokoll erfordert es."


"Okay, nun -- das Protokoll erfordert auch, daß eine Tasse Kaffee gemacht wird, während ich mich umziehe," sagte sie und deutete mit dem Daumen auf die Kaffeemaschine. "Denkst Du, Du könntest was zum Frühstück zaubern, Louie?"


Ich seufzte erleichtert. Endlich auf vertrautem Boden. "Sicher, Ma'am." Ich würde sie nicht fragen, wie sie an Frühstück denken konnte, nachdem sie gerade erst einige Liter neonrosafarbene Eiscreme verdrückt hatte. Schließlich war sie eine Hyäne. "Darf ich fragen, wie viele zum Essen kommen, Ma'am?"


Sie zählte an den Fingern ab. "Insgesamt sieben," entschied sie. "Sandy kommt rüber, um mich beim Training zu unterstützen."


Ich nickte, und rechnete selbst noch mal im Kopf nach. Ihre Eltern, ihre Geschwister, ihre Großmutter, sie selbst -- und ich. Sieben. Sie hatte mich also schon in ihren Familienkreis aufgenommen.


Ich fühlte ein kleines, warmes Glühen in meiner Brust bei dem Gedanken, halbwegs zwischen meinem Herzen und meinem Hals, kramte dann nach ein paar Töpfen und Pfannen und sah mir den Inhalt der Kühlschränke an. Außerhalb des Küchenfensters wurde der schwarze Himmel gerade hell...


*


Nach unserem Interview entschied ich dieses Tagebuch etwas aufzupolieren, mit der Absicht, es ihr zu überreichen, damit sie besser verstand, wer ich war. Ich glaube nicht, daß ich vor ihr stehen und es ihr persönlich sagen könnte... es wäre zu peinlich und sie würde mich wahrscheinlich mit ihren Witzen und Kommentaren ablenken. Und selbst wenn sie nichts sagte, und nur dasitzen und mir zuhören würde... ich fürchte, ich würde die Nerven verlieren unter dem ruhigen Blick dieser klaren, blauen Augen.





Copyright by Kathryn Garrison Kellogg


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