Eintrag #48 Mein Tagebuch, von Frederick Usiku Krüger
Nach Kathryns bewegendem Rückblick nahm ich mir ein paar Augenblicke, um selber etwas in mein Tagebuch zu schreiben. Der aufgehende Vollmond war ziemlich hell und ausreichend um zu schreiben. Ich saß in einiger Entfernung zu den Anderen, mein Rücken an meine Reisetruhe gelehnt. Mein Stift kratzte fieberhaft, als ich meine Gedanken aufs Papier brachte.
Ich dachte über alles nach, das an diesem ereignisreichen Tag passiert war. Ich dachte über alles nach, was sie zu mir gesagt hatte. Ich dachte daran, wie sie mich an dem Steilufer angelächelt hatte, wie sie sich zurückgelehnt hatte, als ob sie mich einladen würde, näher zu kommen; es wäre einfach gewesen, oh, so einfach, in ihrer Umarmung dahinzuschmelzen... mein Stift verirrte sich auf der Seite, und begann damit Bilder von diesem Gobelin zu zeichnen, losgelöst von allem anderen in diesem Serail Zelt...
Ich warf einen flüchtigen Blick auf die drei, die beim Kartenspielen waren. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Ihre Gesichter wurden von dem sanften Glühen von Horns Einhorn beleuchtet. Sandys Gesicht im Profil, aber ich konnte erkennen, daß Kathryn mich ansah; sobald sie bemerkte, daß ich zurückschaute, wandte sie ihre Augen ab und konzentrierte sich auf ihre Karten, mischte sie eifrig.
War sie eine Königin oder ein Narr...?
Sie hatte mir erzählt, sie wollte mich als Gleichgestellten. Stimmt, aber bisher war ich die einzige Person auf der Welt, die sie diese Worte hatte sagen hören, aber... wußte sie überhaupt, was das hier in der Maramasai bedeutete, bei unserem Volk? Daß eine Hyäne zu ihrem Mann sagte "Ich will Dich als Gleichgestellten" war fast wichtiger als zu sagen "ich liebe Dich". Es setzte einen Level von Respekt, Vertrauen und Bewunderung voraus, der weit jenseits von Gefühlen wie Liebe, oder von physischer Anziehung lag. Es widersprach auch den tiefsten Fundamenten unserer Kultur. Sie schätzte mich als ihr Gleichgestelltem ein. Ich würde nicht im Schatten stehen müssen, nicht zu ihren Füßen auf dem Boden sitzen oder drei Schritte hinter ihr gehen müssen -- Ich wäre ihr Gleichgestellt! Nach ihrem eigenen Wunsch! Ich fühlte mich, als hätte ich versucht von der anderen Seite der Stadt einen Tunnel bis zur Bank zu graben, mit einem Plastiklöffel und der Präsident der Bank gab mir einfach den Schlüssel zum Tresor und sagte mir, ich könnte mir nehmen, was ich wollte. Alles, was ich durch falsches Spiel oder Geschick zu erreichen versucht hatte, wurde mich plötzlich einfach in die Hände gegeben. Ich mußte nur sicherstellen, daß ich dieses große Geschenk nicht verspielte.
Die Absicht meiner Mutter war es gewesen, daß ich es erreichte, daß die Erbin mir genügend vertraute, um mich zum Regenten zu ernennen und mich, während sie zurück nach Amerika ging, vorzugsweise schwanger mit meinen Welpen, zurückließ, um das Land an ihrer Statt zu regieren. Aber jetzt wollte ich so viel mehr als das! Ich wollte sie an meiner Seite, so daß wir zusammen regieren konnten, Seite an Seite, in gegenseitiger Unterstützung... so wie Ehe sein sollte... und vielleicht, durch unser Beispiel, könnten wir die Gesellschaft verändern.
Dieses Tagebuch war als Test für sie gedacht. Sie hatte mich über meine wildesten Träume hinaus beeindruckt -- und ich hatte in letzter Zeit einige ziemlich wilde Träume gehabt.
Ich glaubte, Ich glaubte wirklich, daß sie nicht nur dazu in der Lage sein würde, eine gute Fürstin zu sein, sondern auch dazu all die Pläne, die ich mir ausgedacht hatte für all das, was in Rackenroon nicht nicht in Ordnung war, zu verstehen und in die Tat umzusetzen. Des weiteren, hatte ich den Eindruck, sie könnte eine neue Djarro werden und eine Erneuerung in die gesamte Maramasai bringen. Ihre Persönlichkeit war noch immer sprunghaft und unvorhersehbar, aber ich fühlte, daß sie mit meinem fortgesetzten Training, zu einem Leuchtturm an inspirierter Führung werden könnte. Sie hatte alles in sich, was einen großen und weisen Herrscher ausmachte.
Und natürlich, war da... die andere Sache... ich mußte es zugeben, wenn auch nur mir selbst gegenüber... ich war hoffnungslos verknallt in sie. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, je von ihr getrennt zu sein. Da sie mich zu ihrem Gleichen wollte, war ich nun damit zufrieden, ihr Sklave zu sein, in sie vernarrt zu sein, ihr zu gehorchen, sie mit meinem Leben beschützen, falls nötig. Ich wollte mich ihr vollständig ergeben, mich ihr öffnen... ihr erlauben, mein wahres Selbst zu sehen... verletzbar sein und mich doch in ihren Armen sicher fühlen. Ich wollte auf ihren Schoß kriechen und sie mich streicheln lassen, bis ich einschlief. Ich wollte meine Nase in ihre Halsbeuge vergraben und ihren betörenden Duft einatmen...
Ich wurde von einer Stimme nahebei in der vom Mond erleuchteten Dunkelheit aus meinen Tagträumen aufgeschreckt, die mein Herz aus meinem Magen in den Hals springen ließ um sich seinen Weg aus meinem Scheitel herauszuklopfen. Ich würde ihr wirklich ein Glöckchen anhängen müssen. "Hey, Louie -- kann ich Dein Tablet leihen? Ich habe meines im Zeltlager verloren und ich möchte nach etwas suchen."
Ich bewegte mich schnell, um ihrem Wunsch nachzukommen, fischte mein Gerät aus meiner Truhe und reichte es ihr. Sie dankte mir distanziert und ging zu einem umgestürzten Baum, wo sie ihren Rücken anlehnte und das Tablet einschaltete.
Ich beobachtete sie aus der Entfernung. Was dieser Tag doch für eine Achterbahn gewesen war --! Und jetzt wollte ich herumgehen und noch eine Fahrt machen; nur daß das Fenster zu der Gelegenheit zugeschlagen war und ich derjenige gewesen war, der am Seil gezogen hatte. Dummer Mann!
Ich hatte nie wirklich etwas übrig gehabt für romantische Äußerungen aber die Nachtluft war warm, der Mond war voll und hell, warf ein silbriges Licht über alles und die Grillen zirpten nach Herzenslust. Wenn es je eine Zeit für Romantik gegeben hatte, dann hier und jetzt. Ich wußte, daß sie sich nach mir sehnte und ich wußte, daß ich die Erinnerung an ihre Küsse nicht aus meinem Kopf bekam; aber ich wußte auch, daß Sandy und Horn just da drüben saßen, Karten spielten und plauderten und daß Kathryn selbst darauf bestanden hatte, daß ihre frühere Leidenschaft gänzlich dem Liebestrank Nummer Elf geschuldet war, den sie getragen hatte.
Ich konnte mich ihr unmöglich nähern; ich konnte nicht so dreist sein, oder ein so großer Heuchler. Aber verdammt, ich wollte es! Ich BRAUCHTE es!
Dann hatte ich einen irren, gewagten Plan. Ich zog ein Badetuch und meine Toilettentasche aus meiner Truhe und nahm einige tiefe Atemzüge um meine Nerven zu beruhigen, ich näherte mich ihr vorsichtig.
Sie war über das Tablet gebeugt, mit dem Gelenk eines Daumens zwischen ihren Zähnen und ihre Füße übereinandergelegt. Ich konnte nicht sehen, was sie las, aber es schien ihre ganze Aufmerksamkeit zu beanspruchen.
"Entschuldigen Sie bitte... Ma'am?"
Sie grunzte abgelenkt, ohne aufzusehen.
Ich schluckte und zwang mich fortzufahren. "Ich, äh, gehe runter zum Bach, um mich z-zu waschen... ich würde es begrüßen, wenn S-sie und Ihre Schwester hier oben blieben, bis ich zurück bin..." Meine Stimme schwankte und brach ein bisschen, als ich fortfuhr, "w-weil ich... nichts... ich werde..."
"Schon klar," sagte sie, immer noch ohne mich anzusehen. Sie winkte mit ihrer Hand, als würde sie mich wegfegen. "Würde mir im Traum nicht einfallen zu spionieren, Louie. Husch! Husch!"
Ich stand da und zwinkerte sie an. Ihre Augen blieben an das Tablet gefesselt. Sie schien mich bewußt zu ignorieren.
"Es macht Ihnen... doch nichts aus, oder?"
"Hm? Warum sollte es? Hört sich gut an -- hab Spaß. Wir hatten unser Bad am Nachmittag. Es fühlte sich großartig an. Tu Dir keinen Zwang an."
Zu sagen, ich wäre niedergeschmettert gewesen, war zu sehr vereinfacht. Ich war verwirrt, und enttäuscht und verlor beinahe die Nerven. Ich begann davonzugehen, zögerlich und sah über die Schulter zu ihr zurück. "Also gut. Nun... ich gehe jetzt... ich... bin dann gleich zurück."
"Gut," sagte sie, völlig vereinnahmt von dem, was sie las.
Geknickt, machte ich mich auf den Weg zum Bach, fand eine Stelle, wo eine Kurve im Bachbett ein kleines Becken erzeugt hatte und wusch mich. Immer wieder machte ich eine Pause um meinen Kopf zu heben und ein Ohr zu riskieren, lauschte intensiv nach Schritten auf dem Weg, ein knackender Zweig im Gestrüpp oder ein verlegenes Kichern. Ich hörte nichts davon. Ich konnte mein komplettes Bad beenden, mich abtrocknen und anziehen, ohne gestört zu werden.
Ich hatte gehofft, sie hätte... nun, ich bin mir nicht sicher, was ich gehofft hatte, wirklich. Ich weiß nur, daß die Dinge nicht lange so weitergehen konnten.
Wir müssen Kiyanti erreichen. So schnell wie möglich.
*
(Notiz des Lektors: einige Seiten wurden herausgerissen.)
Copyright by, Kathryn Garrison Kellog
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